Wenn Worte fehlen...

entnommen aus der Seite www.sternenkinder-eltern.de

Es ist wichtig zu begreifen, dass für die betroffenen Menschen die Welt nicht nur für einige Sekunden, Stunden oder Tage stehengeblieben ist – sie wird ein Stückweit an genau diesem Punkt NIEMALS wieder anfangen sich weiterzudrehen. Und in den ersten Wochen und Monaten nach dem Verlust erlebt der Trauernde seine Umwelt und sein Leben völlig anders als sonst.

Es ist eine Illusion zu denken, dass die Betroffenen wieder „die alten“ werden – ihr Leben ist maßgeblich erschüttert worden, nicht unbedingt nur im negativen Sinne – es wurde schlichtweg durchgerüttelt. Ihnen ist etwas derart großes und tiefgreifendes geschehen, dass sie Wochen und Monate, teils Jahre brauchen, um zu begreifen, was geschehen ist und was es mit ihnen gemacht hat, was es in ihnen verändert hat. 

Für Trauernde ist es in dieser Situation wichtig, das Gefühl zu haben, in dieser ihrer durcheinander gewürfelten Welt, Beistand und Trost zu finden. Wenn man ihnen das Gefühl gibt, für sie da zu sein, ist das ein wichtiger Schritt.

Es gibt so viele Arten, Zuwendung zu zeigen – es sind manchmal ganz kleine und unbeeindruckende Dinge, die gut tun.

Was können wir tun?

Einfach nur da sein!

Nichts sagen, nichts anraten, nichts bewerten - sondern nur zuhören!!!!!!

Für liebe Freunde, Eltern oder Partner scheint es oft sehr schwierig zu sein, mit trauernden Müttern umzugehen. Trauer ist immer unbequem. Deshalb versuchen Menschen oft, Trauernde zu trösten, in dem sie scheinbar „heitere Aussichten“ schaffen.

Sätze, wie:  „Du bist doch noch jung, du kannst andere Kinder haben“, oder „ Du bist stark, das schaffst du schon, das geht schon vorbei, oder „Sei froh, dass es noch nicht gelebt hat“, sind dabei hoch im Kurs.

Trauernde macht es aber wütend, so getröstet zu werden. Man kann Trauer nicht wegtrösten, nicht weg reden. Meist richten Trostversuche dieser Art nur mehr Schaden an. Denn die Betroffene wird sich dagegen auflehnen mit einem großen, inneren „Ja,aber !“ und sich verletzt zurückziehen.

Verletzt zu recht. Denn schaut man einmal genauer hin, was hinter solchen Aussagen steht, dann haben sie alle einen gemeinsamen Nenner: Sie sprechen – wenn auch unabsichtlich – der Betroffenen ihre Trauer ab. Da dies natürlich nicht so ist, formulieren solche Aussagen eigentlich nur ein unbeschreibliches Unverständnis der Trauer und der Trauernden gegenüber.

Auch, wenn alle sich wünschten, möglichst schnell zur Tagesordnung überzugehen- das funktioniert so nicht, denn man kann Trauer nicht überspringen, auslassen oder wegdenken. Trauerarbeit ist immer ein Prozess. 

Auf keinen Fall trösten wollen!

Trauernde scheinen regelrecht allergisch zu sein, gegen die landläufigen Versuche, trostreiche Worte zu finden. Solche „Tröstfloskeln“ verletzen die Trauernden ungemein, und sie schaffen Erinnerungen für sie, die sie so schnell nicht mehr vergessen können. Sie können richtig wütend machen.

Abschied nehmen

Abschied nehmen ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Trauerarbeit. Neben dem eigentlichen Bewusstwerden des Verlustes und dem späteren Verarbeiten ist dies vermutlich eine der wichtigsten ihrer Säulen.

Betroffene Eltern sollten sich darüber im Klaren sein, dass alles, was sie jetzt noch an Eindrücken ihres Kindes sammeln können, nicht nur für die kommende Trauerarbeit reichen muss, sondern auch als Erinnerung für ein ganzes Leben.

Wenn Worte fehlen...

Die Hemmungen, die viele Menschen gegenüber Trauernder haben, sind durchaus nachvollziehbar. Was sage ich da nur? Wenn ich was Falsches sage? Über was kann man mit „denen“ jetzt sprechen? Ist das denn okay, wenn ich das Thema anspreche oder soll ich es vielleicht lieber lassen? Ist es okay, über mich zu sprechen oder über Dinge aus dem Alltag? Ist das vielleicht zu banal?

All diese Fragen sind durchaus berechtigt, und es ist Fakt, dass der Umgang mit Trauernden alles andere als einfach ist – es gleicht einem Hürdenlauf über eine Strecke voller dicker Fettnäpfe. Dennoch stellt man sich das ganze meist schlimmer vor als es eigentlich ist. Wer trotzdem Scheu und Angst hat, dem sei gesagt: Für Trauernde gibt es eigentlich nur eine einzige  Sache, die am schlimmsten ist: Ignoriert zu werden! Selbst wenn man etwas sagt oder schreibt, dass vielleicht dann eben NICHT passt, so wissen es die meisten immer noch anzuerkennen, DASS man überhaupt etwas gesagt hat.

Das spricht einen natürlich nicht von jedweder Sensibilität frei. Es gibt aber einige ganz einfache Regeln, an die man sich halten kann und mit denen man weniger Gefahr läuft, „ins Fettnäpfchen zu treten“.

Man darf den Trauernden ihren Schmerz nicht nehmen. Nicht ignorieren, nicht negieren. Aber vor allen Dingen sollte man sich nicht dem sehr natürlichen Impuls, unbedingt trösten zu wollen, unbedingt Tränen und Schmerz vermeiden zu wollen, hingeben – denn: es wird nicht funktionieren. Alle Tränen müssen geweint werden – wie und wann ist egal. Je mehr sie unterdrückt werden, desto mächtiger drängen sie nach draußen. Es ist nicht zu ändern, indem man etwas „zu beschwichtigen“ versucht. Es GIBT an der Situation nichts zu beschwichtigen. Sie IST nun einmal, wie sie ist. Traurig, schwierig, schlimm und verbunden mit Fassungslosigkeit.

Einfach fragen – wie geht es Dir? Oder vorsichtig das Gespräch auf das Thema leiten? Sag mal… wie war das eigentlich genau…? Dieses Interesse, das so viele Menschen scheuen, weil sie denken, sie „stoßen damit in eine Wunde“ oder „reißen alte Wunden wieder auf“ ist für Trauernde meistens wie Balsam auf ihren Wunden, denn in der aller Regel haben sie wenige bis gar keine Menschen, mit denen sie offen über das, was ihnen geschehen ist, was sie beschäftigt, was sie fühlen sprechen können. Aber genau DAS ist elementar wichtig für ihren eigenen Verarbeitungsprozess.

Wenn wir so tun, als „wäre alles wieder beim Alten“, negieren wir die gemachte Erfahrung der Betroffenen. Wir tun so, „als sei das nie geschehen“.

Man kann sagen: Nach einem Verlust ist alles, was man tut, immer das „erste Mal danach“.  Die Trauernde benötigt für jede dieser Kleinigkeiten  unter Umständen viel Kraft und alles geht langsam. Haben Sie Verständnis und machen Sie sich klar, wie viel Kraft sie dafür aufwenden muss. Das strengt enorm an.

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Das Schönste, was wir gehört haben:

"Bestimmt wurde die kleine Seele zu einem anderen Notfall gerufen, wo sie noch dringender gebraucht wurde. Sie hat bestimmt gedacht, ihr versteht das. Aber die Seelen kommunizieren miteinander und sie werden sich erzählen, dass bei Euch wieder Platz für eine neue Seele ist."

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Ein sehr schönes Gedicht zum Thema, welches uns aus dem Herzen spricht:
 

Mitmenschen, nehmt uns Trauernde an!
Geht behutsam mit uns um, denn wir sind schutzlos.
Die Wunde in uns ist noch offen und weiteren Verletzungen preisgegeben.
Wir haben so wenig Kraft, um Widerstand zu leisten.

Gestattet uns unseren Weg, der lang sein kann.
Drängt uns nicht, so zu sein wie früher, wir können es nicht.
Denkt daran, dass wir in Wandlung begriffen sind.
Lasst Euch sagen, dass wir uns selbst fremd sind. Habt Geduld!

Wir wissen, dass wir Bitteres in Eure Zufriedenheit streuen,
dass Euer Lachen ersterben kann, wenn Ihr unser Erschrecken seht,
dass wir Euch mit Leid konfrontieren, das Ihr vermeiden möchtet.

Wenn wir Eure Kinder sehen, leiden wir.
Wir müssen die Frage nach dem Sinn unseres Lebens stellen.
Wir haben die Sicherheit verloren, in der Ihr noch lebt.

Ihr haltet uns entgegen: Auch wir haben Kummer!
Doch wenn wir Euch fragen, ob Ihr unser Schicksal tragen möchtet, erschreckt Ihr.
Aber verzeiht: Unser Leid ist so übermächtig, dass wir oft vergessen,
dass es viele Arten von Schmerz gibt.

Ihr wisst vielleicht nicht, wie schwer wir unsere Gedanken sammeln können.
Unser Kind begleitet uns. Vieles, was wir hören, müssen wir auf sie beziehen.
Wir hören Euch zu, aber unsere Gedanken schweifen ab.
...
Versucht, Euch in uns einzufühlen. Glaubt daran, dass unsere Belastbarkeit wächst.
Glaubt daran, dass wir eines Tages mit neuem Selbstverständnis leben werden.
Euer "Zu-trauen" stärkt uns auf diesem Weg.
Wenn wir es geschafft haben, unser Schicksal anzunehmen,
werden wir Euch freier begegnen.
Jetzt zwingt uns nicht mit Wort und Blick, unser Unglück zu leugnen.
Wir brauchen Eure Annahme.
Vergesst nicht: wir müssen so vieles von neuem lernen,
unsere Trauer hat unser Sehen und Fühlen verändert.

Bleibt an unserer Seite!
Lernt von uns für Euer eigenes Leben!

Erika Bodner